Montag, 22. Februar 2021

Sind Familienaufstellungen noch zeitgemäß?

Seitdem Bert Hellinger in den 90iger Jahren die Methode des Familienstellens (! Anm. an dieser Bezeichnung sind Hellinger-orientierte Aufstellungsformate noch heute erkennbar) aus Methoden seiner Vorgängerinnen und Vorgänger einem breiten Publikum bekannt machte, hat sich viel an der Methode, ihrer Bedeutung für die Therapie und an dem Wissen um ihre Grenzen verändert.

Die wesentlichen Wegbereiterinnen dieser Herangehensweise im Umgang mit psychischen Dispositionen (Bertalanffy - siehe Ludwig von Bertalanffy – Wikipedia oder Satir - siehe Virginia Satir – Wikipedia, usw.) begründeten ihren Ansatz der Darstellung von Menschen oder Gefühlen mit Hilfe von Repräsentanten oder Symbolen basierend auf dem Konstruktivismus. Dieser sieht die Wirklichkeit als einen von uns selber konstruierten Umstand, nicht als einen, der sich in uns abbildet. Anders gesagt bedeutet das, dass wir selber sowohl bewusst wie auch unbewusst, das, was wir als unsere Welt betrachten, wesentlich durch unsere gemachten Erfahrungen, durch unsere Kenntnisse und Fähigkeiten formen und gestalten. 

Das Positionieren von Stellvertretern (oder entsprechender Symbole) - meist mit Hilfe von außenstehenden Personen im Rahmen einer Aufstellungsgruppe - und die dadurch deutlich werdenden Verknüpfungen mit den eigenen emotionalen Wahrnehmungen dazu, ermöglicht also ein Sichtbar-machen von emotionalen Banden nach innen und "außen". 

Bei Familienaufstellungen können Beziehungen zu den einzelnen Mitgliedern aufgezeigt werden - Nähe und Distanz genauso wie z.B. emotionale Verbundenheit oder Ablehnung. Bei Konflikten innerhalb der Familie können auf diese Weise die Stellung der Mitglieder untereinander und ihre emotionalen Verknüpfungen sichtbar werden. 

Für konkrete Fragestellungen nach der seelischen, emotionalen und psychischen Beteiligung von inneren "Verstrickungen" an körperlichen Erkrankungen oder Lebenskrisen gibt es mittlerweile direktere systemische Aufstellungsformate, die durch ihre Kompaktheit (3-4 Positionen) auch den Einsatz von vielen "Repräsentantinnen" relativieren. Sie ermöglichen  gleichzeitig einen ganz gezielten Blick auf die Tiefe der Fragestellung und sind auch im Einzelsetting wunderbar anwendbar.

Die Aufstellung des ausgeblendeten Themas nach Varga von Kibéd und Sparrer oder die Körper- und Symptomaufstellung nach Lieben und Renoldner (siehe Amazon) sind mittlerweile Standardformate, die hier hilfreich sein können. 

Selbst kreative oder persönlich individualisiert abgeänderte Ansätze (wie z. B. die Möglichkeit, einzelne Worte einer persönlich wichtigen Frage aufzustellen, oder ein Gefühl und dessen Widerspruch aufzustellen) sind je nach Ausganglage oft geeigneter, Lösungswege aufzuzeigen, als die Herstellung eines Zusammenhangs mit der eigenen Familie. 

Die ideale Methode aus der Aufstellungsarbeit gibt es nicht - sehr wohl aber jene, die den Fragenden seinem Wunsch nach Erkenntnis ein Stückchen näher bringt. 

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